Über Rebsorten – Der Chardonnay
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Ach ja, der Chardonnay … Diese wunderbare Rebsorte eignet sich hervorragend zum philosophieren: Über die Launen der Mode, über Qualität, über Weinstile und darüber, wie leicht es ist, einen guten Ruf nachhaltig zu schädigen. Aber alles der Reihe nach:

Herkunft

Allgemein wird die Herkunft der Rebsorte Chardonnay in Vorderasien vermutet. Von dort aus soll die Rebsorte mit den Kreuzrittern nach Frankreich gelangt sein. Dort, vor allem im Anbaugebiet Burgund, haben sich dann Mönche der weiteren Erforschung dieser Rebsorte gewidmet.
Über die Einordnung des Chardonnay in die Familie der Reben liest man unterschiedliches: Einerseits wird oft die Nähe, ja die Verwandschaft zu den anderen Burgundersorten (Spätburgunder, Frühburgunder, Weißer Burgunder, Grauer Burgunder) betont, andererseits schreibt z.B. Hillebrand in seinem „Taschenbuch der Rebsorten“: Obwohl die Sortenunterschiede zu der Burgunderfamilie gering sind und somit Verwechslungen immer wieder auftreten, reichen die ampelographischen Unterschiede aus, um den Chardonnay als selbständige Sorte zu bezeichnen.“ (Hillebrand, Lott, Pfaff; Taschenbuch der Rebsorten, 12, Auflage, Fachverlag Fraund, Mainz; ISBN: 3-921156-37-8; Seite 100).

Verbreitung

Heute ist Chardonnay eine der großen internationalen Weißweinsorten. Eine Entwicklung, die um ca. 1980 begann und sich in den Folgejahren wie ein Flächenbrand über die ganze Weinwelt verbreitet hat. In Deutschland ist der Anbau erst seit 1990 erlaubt.
Die wichtigste Anbauregion ist jedoch nach wie vor Frankreich – vor allem im Burgund und in der Champagne hat der Chardonnay seine natürliche Heimat.
Hier sind auch die vorherrschenden Ausbaustile entwickelt und perfektioniert worden. Die ganze Weinwelt hat sich daran orientiert, viele Fehlentwicklungen inklusive.

Von der Mode, von Weinstilen und von Fehlern

Stark vereinfachend könnte man ausführen, daß der Chardonnay in zwei sehr unterschiedlichen Weinstilen hervorragende Weine erbringen kann. Da sind einerseits die von klarer Säure und einem deutlichen Aroma nach grünen Äpfel geprägten Weine aus dem Chablis. Weine, die an kühler Eleganz kaum zu übertreffen sind. Glasklar, fast streng vermitteln sie dennoch einen geschmacklichen Eindruck der Kalksteinböden um das Städtchen Chablis. In ihrer Art sind diese Weine einzigartig und hervorragend.
Auf der anderen Seite stehen die Produkte aus dem eigentlichen Burgund. Diese Weine sind etwas fülliger, etwas voluminöser, vermitteln üppigere Frucht und weisen zumeist eine etwas höhre Fruchtsüße auf.
Beiden gemeinsam ist: es können gigantische Weine sein!
Auch für beide gilt: diese Weine eignen sich sehr gut zum Ausbau im Barrique und damit nahm das Unheil seinen Lauf.
Die im Barrique ausgebauten Chardonnay-Weine werden, im Idealfall, durch eine dezente Note nach Toastbrot, etwas Butter und Röstaromen ergänzt. Das kann eine wahre und echte Verbesserung darstellen.
Leider wurde nun gerade diese Ergänzung des orginären Geschmacksbildes durch die Weinkritik hochgejubelt, so dass viele Winzer diese Noten durch immer stärkeren Barriqueeinsatz besonders zu betonen versuchten. Heraus kamen dann Weine, die eben nur noch nach Butter, nach verbranntem Brot rochen und schmeckten. Zunächst waren die Konsumenten auf der ganzen Welt begeistert: schließlich bewertete auch einer der angesehensten Weinjournalisten der Welt diese Weine regelmäßig sehr hoch.
Weine dieser Machart wurden bald überall auf der Welt imitiert – mit durchaus wechselndem Erfolg.
Nach einigen Jahren des Höhenfluges kam dann der jähe Absturz. Die Weintrinker überall auf der Welt bemerkten, daß sie doch lieber Wein trinken möchten, der nach Wein und nicht nach Gemüse, Butter oder sonstwas schmeckt. Auf einmal machte in Weinkreisen ein ganz anderer Spruch Karriere: Man sagte schlicht „ABC“. „Anything but Chardonnay“.
Diese Entwicklung tat der geschundenen Rebsorte nicht gut, wie man sich unschwer vorstellen kann. Wohin die Reise letzendlich geht, ist dieser Tage völlig ungewiss.
Eines steht jedoch fest und keine Mode kann das widerlegen: Aus Chardonnay können hervorragende Gewächse entstehen, Weine von ungeheurer Komplexität und Schönheit. Der Winzer muss nur wollen und die Kunden müssen sich dazu bekennen.

Autor: Martin H. Geiger im April 2006

Dieser Beitrag stammt von meinem Freund Martin H. Geiger, der im Herbst 2009 leider viel zu früh verstorben ist. Martin veröffentlichte auf seiner Webseite viele interessante Beiträgen zu den Themen Wein und Gastronomie. Um die zeitlosen Beiträge zu erhalten, wurden sie von mir hierher umgezogen und wo nötig – ich hoffe ganz im Sinne von Martin – überarbeitet.

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