Wie lernen Kinder sicher Fahrrad fahren?
Foto eines Autos, das auf dem Gehweg parkt und so das Rad fahrende Kind am weiterfahren hindert.
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Immer mehr Schüler fallen durch die Prüfung zum "Fahrradführerschein". Woran liegt´s?

Heute berichtete nordbayern.de davon, dass immer mehr Nürnberger Schüler durch die Radfahrprüfung fallen. Diese Prüfung zum sogenannten „Fahrradführerschein“ findet im 4. Schuljahr statt. Zwar hat diese Prüfung keinerlei juristische Bedeutung, aber Schulen, Elternbeiräte und Betreuungseinrichtungen empfehlen Eltern

ihre Kinder nicht alleine Rad fahren zu lassen, bevor diese Prüfung erfolgreich abgelegt ist.

Was ist das Problem und welche Wege führen aus dem Dilemma.

Die meisten Erwachsenen bei uns können Rad fahren. Neulich war zu lesen, dass sich in fast jedem deutschen Haushalt mindestens ein Fahrrad befindet. Doch wie sieht es mit dessen Nutzung aus? Einen Eindruck vermittelt eine Statistik bei Statista wonach zwar fast jeder Dritte der Befragten  (29%) angaben ihr Fahrrad „täglich“ oder „fast täglich“ zu nutzen, dem stehen aber über 51% gegenüber die täglich oder fast täglich ihr Auto benutzen. Demzufolge stellt das Fahrrad derzeit nur für eine Minderheit – wenn auch eine große – ein Verkehrsmittel für den täglichen Bedarf dar.

Kinder lernen von Ihrem Umfeld, also ihrer Familie und in Betreuungseinrichtungen

Wenn in der Familie (und der Betreuungseinrichtung – und dem Weg dorthin) das Fahrrad nicht genutzt wird – wie kann man dann erwarten, dass Kinder das richtige Verhalten auf dem Fahrrad lernen? Sich sicher im Verkehr zu bewegen ist eine Herausforderung auch für Erwachsene. Kinder können dies nur lernen indem sie viel und regelmäßig Rad fahren.

Das Dilemma: Kinder lernen sicher Rad fahren durch Rad fahren – begleitet von entsprechenden Hinweisen der Begleitperson anhand konkreter Verkehrssituationen.

Insofern war es eine gute Idee des Gesetzgebers Kindern bis 10 Jahren zu erlauben den Gehweg zum Rad fahren zu benutzen (§ 2 Abs. 5 StVO). Nur so können sie die täglichen Verkehrssituationen und Verkehrsregeln beobachten und in einem sichereren Umfeld erlernen.

Kind fährt Fahrrad auf der Straße, Gehweg ist duch Falschparker blockiert.
Was sind wir nur für verantwortungslose Eltern?! Wir lassen unser 7jähriges Kind auf der Straße fahren, anstatt auf dem Gehweg.

Diese Erziehungsarbeit können nur Eltern/Großeltern/Verwandte leisten – und nur zusammen mit ihren Kindern. Ohne Rad fahrendes Umfeld – keine sicher Rad fahrenden Kinder!

Warum nutzen Eltern nicht das Fahrrad?

Fragt man was Menschen bewegen würde, öfter das Fahrrad als Verkehrsmittel zu nutzen, erhält man meist folgende Antworten:
– Bessere Verkehrsinfrastruktur für Radfahrer
– Konsequentere Ahndung von Verkehrsverstößen die zu Lasten der Radfahrer gehen
– Besseres Wetter

Da man am Wetter nichts ändern kann, konzentrieren wir uns auf die beiden ersten Wünsche:

Bessere Verkehrsinfrastruktur für Radfahrer

Eine radfahrerfreundliche Verkehrsinfrastruktur ist leider in Deutschland nicht in Sicht. Es ist nicht damit getan, dass ab und zu ein Radweg gebaut, Radfahrer durch blaue Schilder von der Fahrbahn verdammt und ansonsten immer dem Autoverkehr Vorrang eingeräumt wird. Für den ganz normalen Wunsch ab und zu mal nach links abzubiegen, bietet ein Großteil des innerstädtischen Radwegenetzes keine Lösung – und wenn, dann über zwei Ampel-Wartephasen (statt einer wie für die Fahrbahnbenutzer).

Auch der Wunsch mit einer fahrradtypischen Geschwindigkeit von 25 bis 30 km/h (ja, im Jahr 2018 ist das eine normale Geschwindigkeit moderner Fahrräder) einen Radweg zu benutzen, scheitert meist nach wenigen hundert Metern durch eine zu enge Radwegeführung (in fast jedem Kreuzungsbereich zu beobachten).

Dass Radwege bei Baustellen ohne geeignete Umleitung unterbrochen werden, oder man sie sogar bei Neubaumaßnahmen auf Hauptverbindungsachsen einfach auf ein paar Meter unterbricht ist – zumindest in Nürnberg – Normalität.

Bei so mieser Infrastruktur ist es nachvollziehbar, dass nur die ganz Harten das Fahrrad als bevorzugtes Verkehrsmittel nutzen. Die meisten fahren Auto – und was lernen deren Kinder durch das Verhalten ihrer Bezugspersonen?

Konsequentere Ahndung von Verkehrsverstößen die zu Lasten des nicht-motorisierten Verkehrs gehen.

Der motorisierte Individualverkehr hat in unseren Ballungsräumen in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Ebenso die durchschnittlichen Stauzeiten der Autofahrer. Erstaunlicherweise führt das nicht dazu, dass sich Autofahrer über jeden Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV-Nutzer freuen – denn dieser entlastet ja die überstrapazierten Fahrbahnen durch seinen geringeren Raumbedarf. Nein, es findet eine Polarisierung statt und Autofahrer meinen, sie hätten eine besondere Berechtigung zur Nutzung des öffentlichen Raums – selbst wenn dieser ausdrücklich anderen zugewiesen ist. Geh- und Radwege werden als Parkraum genutzt – und die Polizei verschlimmert die Situation, indem sie für jedermann offensichtlich nicht (mehr) dagegen vorgeht.

Als Familie, die fast täglich mit ihren Kindern auf dem Rad unterwegs ist,  haben unsere Kinder eines schon sehr früh gelernt: Regeln werden ignoriert und niemand – auch nicht die Polizei – unternimmt etwas dagegen.

Oder wie erklären Sie es Ihrem Kind, wenn der Gehweg, auf dem es fahren muss (!), nicht genutzt werden kann, weil dort mal wieder Autos parken? Und wie erklären Sie ihm, wie es sicher eine Kreuzung überqueren soll, ohne „plötzlich zwischen den parkenden Autos hervorzutreten“, wenn es aufgrund der im Kreuzungsbereich parkenden Autos nicht möglich ist die Kreuzung einzusehen?

Die Polizei sollte ihre Aufgaben wahr nehmen und konsequent gegen diejenigen Verkehrsteilnehmer vorgehen, die durch ihre Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung das Leben unserer Kinder gefährden. Dann können sie sich auch den Aufwand mit dem „Fahrradführerschein“ sparen.

Auch wenn die Leuchtwesten, mit denen ADAC/Polizei unsere Kinder ausstatten dies suggerieren: Die Verkehrsgefährdung geht nicht von radfahrenden Kindern aus, diese sind Opfer – nicht Täter.

Liebe Polizei – macht ihr eure Arbeit – und wir Eltern unsere. Am besten ihr fangt heute damit an.

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