„Freie Fahrt für freie Bürger“ – damit konnten Politiker Wahlen gewinnen. Politiker, die sich gegen die Umwandlung von Parkraum zu Fußgängerzonen, die Sperrung von Durchfahrten für Autos oder dagegen aussprachen, Radfahrern Einbahnstraßen in beide Richtungen benutzen zu lassen – die Zustimmung konservativer Wähler war ihnen sicher. In nahezu jedem Regionalwahlkampf in den letzten 5 Jahrzehnten spielten auch verkehrspolitische Fragen eine Rolle. Oft mit klarer Frontenbildung: Grüne Jugend prescht vor, SPD vorsichtiger, CDU/CSU dagegen.
Doch das Blatt scheint sich zu wenden. Immer mehr Bürger in den Großstädten bemerken, dass eine „autofahrerfreundliche“ Stadt, ab einem bestimmten Autoaufkommen, keine menschenfreundliche Stadt sein kann. Wer täglich stundenlang im Stau steht, der erlebt sehr unmittelbar den Zusammenhang zwischen Autoverkehr und Stau. Dabei von Fahrradfahrern und Fußgängern überholt zu werden ist der Erkenntnis förderlich.
Doch die Einführung von Busspuren, die Umwandlung von Parkraum in Kurzparkzonen oder die Opferung von Straßen für Rad- und Fußwege – stets waren solche Maßnahmen mit hitzigen Diskussionen begleitet. Profilieren konnten sich in der Vergangenheit oft diejenigen, die am Status Quo festhalten wollten und Veränderungen zugunsten von Fußgängern und Radfahrern ablehnten.
Doch die Meinung vieler Bürger hat sich anscheinend schneller geändert, als die von manch konservativem Stadtrat. Der Berliner „Volksentscheid Fahrrad“ hat mit seinen Forderungen nach einem besseren Radverkehr in Berlin einen Nerv getroffen – das zeigt der BerlinTREND von infratest dimap im Auftrag der rbb-Abendschau und der Berliner Morgenpost.
Auch viele Menschen, die mit dem Auto unterwegs sind, haben wohl erkannt, dass auch sie von einer besseren Verkehrsinfrastruktur für Fahrradfahrer profitieren. Denn mehr Radfahrer bedeutet weniger Autofahrer und damit auch weniger Stau auf den Straßen.
Ein Grund für Konservative ihre Autofahrerpositionen zu überdenken?
Wer meint jeden einzelnen Parkplatz in der Innenstadt erhalten zu müssen und keinen Raum sieht, für mehr Fahrrad- und Fußgängerfläche, dem kann es passieren, dass die Bürger solch rückwärtsgewande Positionen ablehnen und bei der nächsten Wahl mehr Raum im Rathaus für zeitgemäße Politiker vorsehen.
Es ist vorstellbar, dass mutige Politiker Wahlen damit gewinnen, dass sie Fußgänger und Radfahrer durch einen strukturellen Wandel des öffentlichen Raums zu ihrem Recht verhelfen.
Manchmal sind Bürger weiter – als Politiker.
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